Politik-Wirtschaft
Zu Inhalten und Methoden des Unterrichts in der Einführungs- und Qualifikationsphase am Braunschweig-Kolleg
Aufgaben, Ziele und Dimensionen des Politikunterrichts
Grundlegende politische, soziale, wirtschaftliche, ökologische und demographische Veränderungen stellen die Menschen in der BRD, in Europa und in der Weltgemeinschaft vor große Herausforderungen. Es gilt, diese Phänomene kennenzulernen und zu bewerten, um sich als mündiger und kritischer, aber konsensfähiger Bürger gegenüber den Herausforderungen und den angebotenen Lösungen aus der Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und der Wissenschaft zu positionieren.
Analysekategorien des Politischen und der Politik-Zyklus
Es lassen sich drei Dimensionen betrachten, die natürlich Berührungspunkte haben und immer in der Auseinandersetzung um Interessendurchsetzung und Machtausübung eine Rolle spielen. Je nach Untersuchungsgegenstand des Unterrichts liegt der Schwerpunkt der Bearbeitung tendenziell auf unterschiedlichen Ebenen:
Inhalte und Werte der Politik (Fragen und Aspekte, etwa: Um welche Sache geht es, welche Ziele haben die Akteure, welche Aufgaben, Ziele, politische Programme, Ideologien werden verfolgt?)
Prozesse der Politik (Fragen und Aspekte dazu etwa: In welchen Schritten erfolgt die Durchsetzung von Interessen, wer ist wie beteiligt? Wie werden Konflikte ausgetragen? Wer setzt sich wie und warum durch?)
Formen der Politik (Fragen und Aspekte dazu etwa: Welche Institutionen, Organe sind auf welcher rechtlichen Grundlage entscheidend? – Verfassung, Politische Ordnung, Verfahren)
Der Lösungsprozess für Probleme kann als ein immer währender Zyklus angesehen werden: Von der Problemwahrnehmung über die Auseinandersetzung in der Gesellschaft bis hin zur Regelung (etwa nach parlamentarischen Diskursen, in Abstimmungen über Gesetzesvorlagen), gefolgt von einer Neubewertung der so geschaffenen Realität, die wiederum Probleme mit sich bringen kann.
Methodenlernen und methodisches Handeln
Insgesamt widmet sich der Unterricht folgender Erprobung: erfassen, analysieren und beurteilen von Realität, dazu gehören das Bewerten von Zukunfts- und Handlungsaussagen unterschiedlicher Akteure, Kommunizieren und sich selbst und andere erfahren im Handeln und Gestalten. Es stellen sich die Fragen: Auf welche Weise kann man sich einbringen, wo beginnt das – im Kleinen (Braunschweig-Kolleg), wie sieht das aus im Großen? Dabei gilt es, sich Phänomene anhand von Geschehnissen, Texten (aktuelle, historische, theoretische), Schaubildern, Karikaturen, TV- und Hörfunk-Sendungen, oder auch Interviews zu erschließen, d. h. den sachgerechten Umgang damit zu erlernen. Es werden von den Kollegiaten Texte (Hausaufgaben, Klausuren, Stellungnahmen) produziert oder wiedergegeben und Referate angefertigt. Dazu bieten sich mediengestützte Präsentationen, Gruppenarbeiten, Mindmapping etc. an. Geübt wird auch das gemeinsame Reflektieren z. B. der Unterrichtsbeiträge, das Diskutieren in der Gruppe. Möglich ist die Durchführung von Rollen- und Planspielen, um in der Simulation von Wirklichkeit Sachverhalte zu erschließen und eigene kommunikative und soziale Kompetenz zu festigen. Im Rahmen des Unterrichtsschwerpunktes zur Internationalen Politik z. B. hat es sich am Kolleg eingebürgert und besonders bewährt, dass die Kollegiaten an einem mehrtägigen Planspiel der Bundeswehr (Pol&IS) teilnehmen, das meistens in der (jährlichen) Projektwoche des Kollegs stattfindet.
Bewertung der Leistungen
Laut Fachkonferenzbeschluss und nach Erlasslage wird die schriftliche Leistung im Fach mit 40% bewertet; die mündliche Mitarbeitsnote beträgt 60%.
Rahmenthemen und Schlüsselprobleme
Ziele der Politik (z. B. Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit) und Dimensionen des politischen Lebens (vgl. oben Analysekategorien) werden im Unterricht in der Auseinandersetzung mit Inhalten realisiert, die politisch bedeutsam für das heutige und zukünftige Leben sind (Fragen z. B.: In welchem Verhältnis steht der ethisch-moralische Anspruch, sozialen Frieden in der BRD oder in der Weltgemeinschaft herzustellen zum Anspruch des Einzelnen auf Ressourcensicherung – etwa Rente oder BAföG, Zugang zu Medikamenten oder Arbeitsplätzen, Freiheit des Glaubens – gegenüber den Handlungsmöglichkeiten des Nationalstaates im Geflecht von Globalisierung, weltweiten Ressourcen-Problemen, Konflikten und Kriegen, Terrorgefahr und möglichen Hegemonialansprüchen anderer Staaten oder Dominanzansprüchen von Wirtschaft und Lobbyismus überhaupt?
Diese und viele andere aktuelle Fragen und Probleme werden im Politikunterricht in Rahmenthemen gefasst, die durch den Bezug zu Schlüsselproblemen strukturiert sind, wovon jeweils ein Schlüsselproblem verbindlich zu bearbeiten ist, die anderen jedoch ebenfalls behandelt werden können und sollten.
Besondere Kennzeichen und Anforderungen der E-und Q-Phase
Insbesondere im ersten Halbjahr der Einführungsphase (EP) wird es ermöglicht, sich ein Know-How, also spezielle Kompetenzen etwa in der Textwiedergabe und Quellen-Analyse zu erwerben, die eher kleinschrittig erprobt werden. Hier ist es möglich, auf Interessen und Erfahrungen der Kollegiaten einzugehen und eine methodische Basis für weitere Semester bereit zu stellen. Im zweiten Halbjahr sollte eine Präsentation (Referat mit Gliederung und Thesenpapier) erprobt und reflektiert werden, um auf das fundierte Arbeiten der Qualifikationsphase (QP) einzustellen und dabei auch erste Schritte für die Anfertigung von Facharbeit (1. und 2. Semester der QP) zu tun.
Diese nun erworbenen methodischen Fähigkeiten werden in der QP vertieft und verfeinert, wobei der Unterricht inhaltlich in besonderem Maße der Vorbereitung auf das Zentralabitur dient, sich damit auch der Erfassung von Theorien zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme widmet und Semester übergreifende Zusammenhänge berücksichtigt (da die Abituraufgaben sich auf mehrere Semester beziehen). Problematisierung ist hier mehr noch gefordert als in der EP. Projektorientierte, längere Gruppenarbeitsphasen und „Langzeithausaufgaben“ sind die Regel, vor- und nachbereitende Hausaufgaben verstehen sich von selbst – wie schon in der EP. Unterschiedliche Systematisierungsmöglichkeiten von Phänomen und theoretischen Darstellungen werden geübt, ebenso werden Karikatur-Analysen und der Umgang mit Schaubildern und Statistiken wiederholt und neu akzentuiert.
Grundsätzlich ist es für den Politik-Unterricht unabhängig vom Unterrichtserlauf nötig, Medienberichte zu verfolgen, das heißt: 1x am Tag Nachrichten im Radio und im Fernsehen, Lesen von seriösen Tages- und Wochenzeitungen ist für die QP unabdingbar! Eine angemessene, distanzierende Textwiedergabe (Konjunktiv etc.) sollte in der QP beherrscht werden. Das Interesse für politische und gesellschaftliche Geschehnisse wird grundsätzlich angenommen. Inhaltliche Kenntnisse sind erwünscht, werden aber nicht vorausgesetzt, sondern können erworben werben; methodische Kompetenzen können in der EP, auch im Erdkunde-Unterricht , erworben werden oder sind gegebenenfalls nachzuholen. Allerdings gilt: Für Diskussionen und Leistungsbewertung auf einem höheren Anspruchsniveau müssen die Beiträge im Unterricht über das Stammtischniveau hinausgehen, denn es wird immer eine fundierte Bewertung von politischen Prozessen und Inhalten erwartet, die das dann bereits Gelernte einbezieht. Es gilt ebenso unabdingbar, auch offen zu sein für neue Betrachtungsweisen und andere Perspektiven, also für die Auseinandersetzung mit bisher womöglich unbekannten Theorien und für die Akzeptanz anderer Sichtweisen – das insbesondere, um sich selbst fundiert begründet mit seiner Meinung und Bewertung im ideologischen Geflecht einordnen und gegenüber anderen Ansichten positionieren und aufgrund einer sachgerechten und theoretisch abgewogenen Bewertung, sprachlich und terminologisch sicher – auf der Basis der erworbenen Kenntnisse im Unterricht – artikulieren und vertreten zu können.
Themen und Inhalte der Semester in der EP (1,2) und der QP (3,4,5,6)
Rahmenthemen in der Einführungsphase (EP):
1. Arbeit und Strukturwandel (z. B.: Von der Agrargesellschaft ins Informationszeitalter: Menschenbilder und Theorien, besonders ab der 1. Industrialisierung; Megatrends von Globalisierung (2./3. Industrialisierung) und Wertewandel: Ökonomisierung, Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft, demographischer Wandel, Individualisierung, Migration; Strukturwandel und Wirtschaftspolitik in der Region; wirtschaftliche Kenntnisse und Grundbegriffe etc.)
2. Politik und Wirtschaft der Europäischen Union /EU (z. B.: Geschichte/ Ideen; Werte, Ziele der EU; Funktionsweise und Probleme der Organe der EU wie Aufbau der Institutionen am Beispiel des Europäischen Parlaments, der Kommission etc. ; Gesetzgebung, Machtkonstellationen u. a. m.); Demokratiedefizite und Erweiterungsproblematik etc.)
Rahmenthemen in der Qualifikationsphase (QP):
3. (erstes Schulhalbjahr/1. Semester) „ Demokratie und sozialer Rechtsstaat“ ; z. B:
a) Politischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozess mit der Funktionsweise und etwaigen Problemen von Parteien, Verfassungsorganen im Machtgefüge
b) Demokratietheorien und Verfassungsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland (BRD)
c) Zukunft der Demokratie in der BRD
d) etc.
4. (zweites Schulhalbjahr/2. Semester) „ Wirtschaftspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft“ ; z. B.:
a) Rolle des Staates
b) Wirtschaftliche Prinzipien und Ziele
c) Probleme wie Arbeitslosigkeit ( im Zusammenhang mit Konjunktur und Staatsfinanzen)
d) Wirtschaftstheorien zur Lösung von Problemen: Nachfragetheorie versus Angebotstheorie
e) Problematisierung der Theorien aufgrund verschiedener empirischer Daten und Annahmen
e) etc.
5. (drittes Schulhalbjahr/ 3. Semester) „Internationale Sicherheits- und Friedenspolitik“ ; z. B.:
a) Internationale Herausforderungen , etwa Ressourcenkonflikte und alte und neue Formen kriegerischer Auseinandersetzungen wie Wandel von nationalstaatlichen Kriegen bis hin zur Asymmetrie mit Terrorismus
b) Theoretische Konzeptionen zur Friedenssicherung und Begriffe
c) Akteure, Möglichkeiten und Strategien der internationalen Sicherheits- und Friedenspolitik, etwa UNO, NATO, EU
d) Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, auch Rolle der Bundeswehr
e) etc.
6. (viertes Schulhalbjahr/ 4. Semester) „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“; z. B.:
a) Weltwirtschaft zwischen Liberalisierung und Protektionismus: Phänomene und Theorien
b) Unternehmensstandort BRD im Rahmen der Globalisierung: Phänomene und Anforderungen aus unterschiedlicher Sicht einzelner Akteure wie Nationalstaat, Unternehmen, Arbeitnehmer, NGOs etc.
c) theoretische und praktizierte Ansätze der Akteure/ Institutionen (wie etwa Welthandelsorganisation/ WTO, IWF)
d) Probleme und Lösungen hinsichtlich einer neuen und nachhaltig/fairen Weltwirtschaftsordnung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven
e) etc.
All diese Schwerpunkte werden selbstverständlich – soweit wie möglich – anhand von aktuellen politischen Ausgangslagen behandelt, über die Sie auch informiert sein sollten (Medien-Rezeption und kontinuierlicher Unterrichtsbesuch sind Voraussetzung!). Am Ende der Qualifikationsphase wird sich eine Unterrichtseinheit wiederholend der Verknüpfung widmen. Jedoch ersetzt diese methodische und inhaltliche Verknüpfung nicht das kontinuierliche Mitdenken der Kollegiaten, nicht das vorherige Bemühen um inhaltliche und methodische Kompetenz, nicht die Anwesenheit im Unterricht.
Im Detail finden sich zu den Anforderungen zur schriftlichen Abiturprüfung im jeweiligen Prüfungsjahr zum Fach Politik-Wirtschaft Informationen im Bildungsserver des Niedersächsischen Kultusministeriums. Bedenken Sie aber, dass die dortigen Informationen nicht den Unterrichts- und Bewertungsanspruch hinsichtlich des vorausgesetzten methodischen Know-Hows und ebenso nicht bezüglich der im Unterricht am Kolleg vermittelten Inhalte genau abbilden; womöglich gehen die Kolleg-Ansprüche punktuell darüber hinaus. Stellen Sie also sicher, dass Sie für jedes Semester über die Kolleg-Wissensinhalte verfügen und diese auf der Basis der vermittelten methodischen Kompetenzen auch miteinander verknüpfen und argumentativ entfalten können.