„Wir Zeitzeugen sterben aus. Deshalb mache ich Sie zu Zeitzeugen!“

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Der Jude Sally Perel besuchte das Kolleg und Abendgymnasium in Braunschweig und berichtete über seinen Überlebenskampf in der Zeit des Nationalsozialismus

 

Am 30. September 2016 startete das Braunschweig-Kolleg einen Veranstaltungszyklus zum Thema „Vertreibung, Flucht und Verbrechen“. Zu Gast war zum wiederholten Mal der inzwischen 91jährige Sally Perel, weltweit bekannt durch seine Autobiographie „Ich war Hitlerjunge Salomon“, um über sein Leben als Jude unter der NS-Diktatur zu berichten. In der vollbesetzten Aula schilderte er in bewegenden Worten, wie er als Hitlerjunge, „versteckt in der Haut des Feindes“, den Todeslagern entkommen sei. „Ich musste lügen, um zu überleben.“

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Sally Perel (Mitte) mit dem Schulleiter Ralf Hausmann (rechts) und dem ehemaligen stellv. Schulleiter Johannes Heinen (links)

Geboren und aufgewachsen in Peine habe ihn seine Flucht vor den Nationalsozialisten beinahe in das berüchtigte Ghetto von Lodz gebracht. Aber seine Eltern hätten ihn, den 14jährigen, vor dem sicheren Tod bewahrt, indem sie ihn kurz zuvor auf die Flucht gen Osten in die damalige Sowjetunion geschickt hätten. Zum Abschied habe sein Vater verlangt: „Bleibe immer Jude und deinem Gott treu, dann wird er dich beschützen!“ Seine Mutter hingegen habe sich von ihm mit den Worten verabschiedet: „Du sollst leben, Sally!“ Knapp zwei Jahre habe Sally dem Tod erneut ins Auge geblickt. „Bist du Jude?“ sei die Frage eines SS-Erschießungskommandos gewesen, deren Beantwortung über sein Leben entscheiden sollte.  Mit der Behauptung, er wäre Volksdeutscher und hieße Josef, habe er zwar gegen das Gebot des Vaters verstoßen, aber gleichzeitig der Mutter gehorcht. „Keine Religion kann von einem Menschen verlangen, für sie in den Tod zu gehen. Das Recht auf Leben steht über allem!“ Und wie durch ein Wunder hätten ihm die Todesschützen geglaubt. „Wenn die Wahrheit dir den Tod bringt, dann lüge!“ Es seien vier Jahre gefolgt, „vier Ewigkeiten“, in denen die Lüge sein lebensrettender Begleiter geworden sei. Tagsüber habe der Hitlerjunge Josef, von den Kameraden liebevoll „Jupp“ genannt, „Sieg Heil!“ geschrien, nachts der Jude Sally heimlich in die Kissen geweint. „Während ich unter den Feinden das Hakenkreuz trug, starben meine Glaubensbrüder in Auschwitz. Ich war damit Täter und Opfer zugleich!“

Sally Perel beim Signieren seiner Autobiographie "Ich war Hitlerjunge Salomon"

Sally Perel beim Signieren seiner Autobiographie „Ich war Hitlerjunge Salomon“

Während seines Vortrags und in der anschließenden Gesprächsrunde offenbarte sich Sally Perel als ein Mensch, dem die Toten von Auschwitz zwar den Glauben an Gott, nicht aber an das Gute im Menschen genommen hätten. Demzufolge wolle er seine Vortragsreisen unermüdlich bis zu seinem Tode fortsetzen. „Wir Zeitzeugen sterben aus. Deshalb mache ich Sie zu Zeitzeugen, damit Sie nachfolgenden Generationen von unserem Schicksal berichten können.“ Wie notwendig diese Wachablösung sei, zeige das für ihn kaum fassbare Phänomen, dass „man heute aus Deutschland wieder rechte Parolen hören könne.“ Die abschließenden Wortmeldungen aus dem Publikum zeigten, wie sehr Sally Perel durch seine Authentizität die Zuhörer zu bewegen vermochte. Ein großer Dank gebührt auch dem Förderverein des Braunschweig-Kollegs, der diese Veranstaltung in erheblichem Maße mitfinanzierte.

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