Projekttag anlässlich des 50. Todestages des ehemaligen Kollegiaten Benno Ohnesorg

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Am 02. Juni 2017 jährt sich der Tag der Erschießung des ehemaligen Kollegiaten Benno Ohnesorgs auf einer Demonstration zum 50. Mal. Aus diesem Anlass führte das Braunschweig-Kolleg am 01. Juni 2017 einen Projekttag durch, in dessen Mittelpunkt die Frage „Jugend, Bildung, Politik – Was bleibt von 1967?“ stand. In zehn Arbeitsgruppen, die aus aktuellen und ehemaligen Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie Lehrerinnen und Lehrern bestanden, wurden das Jahr 1967 und seine Nachwirkungen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Den Anfang machte allerdings die Journalistin und Buchautorin Sabine Pamperrien, die den Projekttag in der Aula mit einem Vortrag eröffnete. Mit Hilfe von Ton- und Bilddokumenten sowie Auszügen aus ihrem Buch „1967. Das Jahr der zwei Sommer“ stimmte sie sehr anschaulich und informativ die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ihre Workshops ein, die unmittelbar danach stattfanden.

Sabine Pamperrien liest aus ihrem Buch „1967. Das Jahr der zwei Sommer“. Ihrer Meinung nach habe die Jugend in erster Linie gegen den Bildungsnotstand protestiert.

In der Aula des BS-Kollegs, die mit ehemaligen und aktuellen KollegiatInnnen und LehrerInnen voll besetzt war, …

… veranschaulicht sie mit dokumentarischem Filmmaterial den damaligen Konflikt zwischen den Generationen.

In den Workshops hatten dann alle die Gelegenheit, sich in einem der folgenden Projekte intensiv mit einer ganz speziellen Thematik auseinanderzusetzen und die Arbeitsergebnisse am Nachmittag den Gästen und der Schulöffentlichkeit zu präsentieren:

Projekt 1: Zivile Nutzung der Atomkraft 1967: Heilsbringer oder stehende Atombomben?

In den Jahren ab 1960, als der kommerzielle Durchbruch der Kernenergie erfolgte, kam heraus, dass auf die Notkühlung im Falle eines Falles doch kein sicherer Verlass war. Der Begriff „Restrisiko“ wurde geprägt. Damit gilt 1967 als Gründungsjahr der Antiatomkraftbewegung, das Jahr, in dem auch der erste Atommüll in der Asse eingelagert wurde. Die ProjektteilnehmerInnen untersuchten diese und weitere Aspekte. (Bild von der Präsentation)

Projekt 2: Zeitzeugen im Dialog: Erinnerungen an 1967

Die von den KollegiatInnen vorbereiteten Interviews mit Zeitzeugen wurden mit einer Videokamera aufgezeichnet und in der Aula präsentiert. Im Mittelpunkt standen Fragen danach, wie sie den Tag, an dem Benno Ohnesorg erschossen wurde, und die sich anschließenden Studentenproteste erlebt haben. (Bild vom Workshop)

Projekt 3: NS-Eliten in der Bundesrepublik Deutschland

Mit der Bemerkung „Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat!“ kommentierte Bundskanzler Konrad Adenauer die Reintegration der NS-Eliten in führende Positionen der Verwaltung, Wirtschaft, Justiz und Politik. Die KollegiatInnen recherchierten skandalöse Einzelfälle und bereiteten eine szenische Lesung vor. (Bild von der Präsentation)

Projekt 4: Ohnesorg, Timm und der 2. Juni 2017 – Auf Spurensuche in Berlin

Um Benno Ohnesorg so nah wie möglich zu kommen, waren die WorkshopteilnehmerInnen am Originalschauplatz des 02. Juni 1967, werteten Dokumente aus und unterhielten sich mit MitkollegiatInnen Ohnesorgs. Ihre Arbeitsergebnisse präsentierten sie in einem Vortrag, einer Filmsequenz und einer Lesung. (Bild von der Präsentation)

Projekt 5: The Piper at the Gates of Drawn – Die Musik des Jahres 1967 und die Auswirkungen auf die heutige Jugendkultur

Das Jahr 1967 erwies sich als Initialzündung für die Pop- und Rockmusik, denn wichtige Debütalben erschienen und im Summer of Love fand in Monterey das erste große Festival im Freien statt. Die KollegiatInnen arbeiteten an ausgwählten Musikbeispielen, Songtexten und Videoaufnahmen den Geist dieser Zeit heraus und untersuchten die Auswirkungen auf die Jugendbewegung. (Weiteres Bild vom Workshop)

Projekt 6: 1968 und die Konsequenzen für Feminismus und Genderforschung 

Die Studentenunruhen ab 1968 hatten großen Einfluss auf die sogenannte zweite Welle der Frauenbewegung und die Ausgestaltung feministischer Grundhaltungen. Die sich etablierende Genderforschung führt Grundgedanken dieser Zeit weiter und gibt Anregungen für aktuelle Diskussionen um Diskriminierung und gleichberechtigte Teilhabe in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. In diesem Projekt verschafften sich die TeilnehmerInnen in Textarbeit und Diskussionen Einblicke in das Thema und arbeiteten Konsequenzen für eigene zukünftige Lebensentscheidungen heraus.

Projekt 7: 1967/68 in Braunschweig

Anhand von historischen Zeitungsartikeln, Geschichtsdarstellungen und Zeitzeugen wurde in diesem Projekt erarbeitet, warum in den Jahren 1967/68 auch in Braunschweig die Emotionen sehr hoch schlugen. Dabei bewegten die Stadt nicht nur die Erhöhung der Schwimmbadpreise und der Gewinn der Deutschen Meisterschaft durch die Eintracht, sondern auch die Ermordung Benno Ohnesorgs und die Berliner Studentenproteste fanden großen Widerhall. (Bild von der Präsentation)

Projekt 8: Bürger auf die Barrikaden? – Politisches Engagement heute

In diesem Workshop wurde zunächst auf der Basis wissenschaftlicher Studien ein Überblick über die politischen Aktivitäten junger Menschen 2016/17 gewonnen, bevor in der zweiten Hälfte des Tages das Engagement der Kolleggemeinschaft in den Fokus gestellt wurde. Hierzu entwickelten die ProjektteilnehmerInnen eine Umfrage und führten diese durch, sodass die Motive für politisches Handeln identifiziert werden konnten. (Bild von der Präsentation)

Projekt 9: RAF – Radikalisierung der Bewegung

Hier gingen die KollegiatInnen mit ihren Lehrkäften den Fragen nach, welche Motive die Terroristen der RAF hatten, welche Ziele sie verfolgten und inwiefern man deren Radikalisierung mit heutigen terroristischen Gruppierungen vergleichen kann.

Projekt 10: Bild, Springer und Co. – Die Rolle der Medien

Vor dem Hintergrund der Berichterstattung im Zusammenhang mit der Ermordung Benno Ohnesorgs und den Studentenprotesten wurde hier anhand von historischem Zeitungs- und Zeitschriftenmaterial (z.B. „Bild“ und „Spiegel“) untersucht, wie sehr die damaligen Medien versucht haben, die Meinungsbildung zu beeinflussen und inwiefern ihnen dies auch tatsächlich gelungen ist. Ein aktueller Bezug zur Rolle der heutigen Medien bei der Entstehung von „fake news“ drängte sich dabei natürlich auf. (Bild von der Präsentation)

 

Im Anschluss an die sehr abwechslungsreiche Vorstellung der Projektergebnisse las der Bürgermeister Dr. Blöcker Auszüge aus dem Roman „Der Freund und der Fremde“ vor, in dem der Autor Uwe Timm sich an seinen Freund und Mitkollegiaten Benno Ohnesorg erinnert, und versetzte das Publikum in eine nachdenkliche Atmosphäre.

Der Bürgermeister Dr. Blöcker appellierte während seine Lesung im Sinne der 68er-Generation auch heute noch Autoritäten in Frage zu stellen und sich couragiert gegen die Diskriminierung Andersdenkender aufzulehnen.

Den vorläufigen Schluss des Projekttages, der vom Förderverein des Braunschweig-Kollegs gefördert wurde, bildete die Einweihung einer Gedenktafel vor dem Braunschweig-Kolleg durch Dr. Blöcker und den Schulleiter des Braunschweig-Kollegs und Abendgymnasiums Herr Hausmann.

Der Bürgermeister Dr. Blöcker (r.) mit Herrn Hausmann, dem Schulleiter des Braunschweig-Kollegs und Abendgymnasiums, bei der Einweihung der Gedenktafel vor dem Haupteingang.

 

Zahlreiche ehemalige MitkollegiatInnen Benno Ohnesorgs nahmen den Projekttag zum Anlass, mit dem Schulleiter, den LehrerInnen und KollegiatInnen ins Gespräch zu kommen und …

… sich über die Projektergebnisse zu informieren.

Danach nutzten viele Anwesende das Angebot des Cafeteria-Teams, beim gemeinsamen Grillen über die 68er-Generation und ihre Nachwirkung bis zum heutigen Tag zu diskutieren.

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