„Leicht ist anders! Aber leicht kann jeder! Wir können auch schwer!“ – Lernen und Lehren in Corona-Zeiten am BS-Kolleg

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Ein Kommentar von Guido Greschke

Wer sich vor der Corona-Krise als Lernender und Lehrender ernsthaft darum bemüht hat, am Kolleg erfolgreich zu sein, konnte sich über einen Mangel an Herausforderungen nicht beklagen. Das Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten von Unterricht, Klausuren und außerunterrichtlichen Veranstaltungen verlangte von allen Beteiligten, regelmäßig die Grenzen der eigenen Belastbarkeit auszuloten und sie hier und da auch ein Stück weit zu überschreiten. Wer dies tat, belohnte sich und andere, egal auf welcher Seite des Lehrertisches man stand oder saß. Die langen Mühen der Ebenen verschwanden in den Momenten, wo man auf den Gipfeln das kurze Gefühl der Zufriedenheit genoss. Dies reichte allen aus, um immer wieder motiviert in die Täler hinabzusteigen. Jeden Tag, jede Woche, jedes Schuljahr.

Bis im März 2020 die Corona-Krise kam und die Täler derartige Dimensionen annahmen, dass die Gipfel unerreichbar schienen.

Regulärer Unterricht und Schulveranstaltungen waren ab diesem Zeitpunkt nicht mehr denkbar. Ein enges Miteinander, bis dahin noch Voraussetzung für jedweden Lernerfolg, musste einem Arbeitsprozess weichen, der von Distanz und Ferne geprägt war und immer noch ist: Präsenzunterricht gerät zur Ausnahme und findet, wenn überhaupt, in geteilten Gruppen aller zwei Wochen statt. Natürlich unter Wahrung von Abstandsregeln, Maskenpflicht und Stoßlüftungszeiten. Distanzlernen erhebt Anspruch auf Normalität, auch wenn sämtliche Lehr- und Lerngewohnheiten auf den Kopf gestellt werden müssen. Videokonferenzen mit zwanzig Lernenden prägen den Alltag. Selbstverständlich mit ausgeschalteter Kamera, um das System vor dem Kollaps zu bewahren. Und selbst dann, nur mit Ton und ohne Bild vom Gegenüber, entscheidet das private Umfeld über die Teilnahme am digitalen Bildungsprozess. Ohne stabilen Internetzugang und aktuelles Endgerät im eigenen Heim gerät jede Lerneinheit zum schwer kalkulierbaren Abenteuer, und zwar für alle Beteiligten. Gleichzeitig ringt die notwendig gewordene Neukonzeption vieler Lernmaterialien den Lehrenden einen Arbeitsaufwand ab, der sich schnell mal verdoppeln kann. Den Lernenden geht‘s nicht viel besser: Die Umstellung auf das digitale Lernen und die damit einhergehende Vernachlässigung vertrauerter Lerngewohnheiten erfordern doppelt so viel Energie, wenn man genau so viel lernen will wie vorher. Oftmals muss man sogar mit weniger zufrieden sein. Dies zu akzeptieren – erhöhter Aufwand bei geringerem Nutzen – und trotzdem motiviert in die nächste Videokonferenz zu starten, ist die eigentliche Herausforderung für alle Beteiligten.

Leicht ist anders! Aber leicht kann jeder! Wir können auch schwer!

Dass dem so ist, wird offenbar, wenn wir auf den Höhepunkt des letzten Schuljahres zurückblicken. Mit unseren Abiturientinnen und Abiturienten boten wir der Corona-Krise erfolgreich die Stirn, denn wir durchschritten trotz aller Widrigkeiten das Tal der schriftlichen und mündlichen Prüfungen, um am Ende die Aussicht auf dem Gipfel zu genießen. Und zwar – und das war die eigentliche Sensation –  mit einer Abifeier am Kolleg, die durch ihre coronabedingten Improvisationen einen Charme entwickeln konnte, den wir nicht vergessen werden.

Leicht ist anders. Aber leicht kann jeder! Wir können auch schwer!

Dass dem so ist, wird offenbar, wenn wir auf die Verabschiedung unseres Schulleiters Ralf Hausmann zurückblicken. Trotz zahlreicher, den Corona-Auflagen geschuldeter Handicaps gelang es dem Organisationsteam um die stellvertretende Schulleiterin Cathrin Baumgarten, eine Veranstaltung zu organisieren, die das außerordentliche Engagement Ralf Hausmanns sehr kreativ und vor allem humorvoll zu würdigen wusste.

Leicht ist anders! Aber leicht kann jeder! Wir können auch schwer!

Dass dem so ist, wird besonders offenbar, wenn wir auf die Arbeit unseres Schulleitungsteams seit Beginn der Corona-Krise zurückblicken. Unerschöpflich schien dort der Vorrat an Energie und Gelassenheit zu sein, mit der man diese Krise zu meistern versuchte. Ralf Hausmann als Schulleiter bis Ende des Schuljahres, Cathrin Baumgarten erst als Stellvertreterin, dann als Schulleiterin, Bernd Bethge als Oberstufenkoordinator, Karin Cukrowski und Tanja Fließ als Angehörige des Schulleitungsteams manövrierten das Kolleg-Schiff mit unglaublichem Einsatz und organisatorischem Geschick durch die Klippen der wöchentlich wechselnden Corona-Auflagen. Und das ohne Sekretärin (seit April) und ohne stellvertretende/n Schulleiter/in (seit August)! Pläne mussten umgeschrieben, Lerngruppen neu eingeteilt, Räume umgeräumt oder technisch auf Vordermann gebracht, eigene Lerngruppen betreut, Lehrende und Lernende motiviert und getröstet werden. Humor und gute Laune schienen dabei das Rezept zu sein, mit dem sie versuchten, selbst am Ball zu bleiben und uns anderen im Spiel zu halten. Hoffen wir, dass sie in gewohnter Art und Weise auf der Kommandobrücke bleiben, um Kurs zu halten auf das noch nicht abzusehende Ende der Corona-Krise.

Leicht ist anders! Aber leicht kann jeder! Wir können auch schwer!

Dass dem so ist, wird offenbar, wenn wir auf die bisherige Zusammenarbeit der Lehrenden und Lernenden am Kolleg zurückblicken. Zufrieden dürfte niemand sein. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen damals und heute. Das anhaltende Lernen auf Distanz forderte seinen Tribut. Die kurzen Momente des Präsenzunterrichts im Abiturjahrgang reichten nicht aus, um die massiven Einschränkungen zu kaschieren, zumal auch hier das Masken- und Abstandsgebot galt und oftmals per Videokonferenz noch Distanzlerner zugeschaltet waren. Und trotzdem lief die „Maschinerie“ weiter. Hier und da stockte sie zwar, fuhr nur mühsam wieder hoch, erreichte nie ganz vorcoronale Höchstgeschwindigkeit, aber sie ruckelte zuverlässig weiter. Dieses Ruckeln war und ist für uns der Antrieb, sich weiter geduldig vor den Computerbildschirm zu hocken, an den eigenen technischen Unzulänglichkeiten und denen der Technik peu à peu zu arbeiten, die vielen Störungen und Missverständnisse der digitalen Kommunikation gelassen hinzunehmen, an der Erledigung oder der Korrektur der im Internet hochgeladenen Hausaufgaben nicht zu verzweifeln, sich nicht an dem Lehr- und Lernerfolg der Vor-Corona-Zeit messen zu lassen und im besonderen Maße Verständnis zu haben für die eigenen Fehler und die der anderen. Wenn wir das wie bisher hinbekommen, egal ob als Lehrender oder Lernender, gelingt uns das, was man im Bildungsbereich „Überleben“ nennt. Nicht mehr und nicht weniger! Aber das ist in diesen Zeiten ein riesiger Erfolg.

Denn leicht ist anders!

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